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Vom Arbeitgeber hinausgebildet

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Vom Arbeitgeber hinausgebildet

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Zwei Studierende am MAZ wurden kürzlich von ihren Arbeitgebern entlassen. Nun ist auch ihre Ausbildung an der Journalistenschule gefährdet.

Von Timo Posselt*

Auf halber Strecke aus der Bahn geworfen: Die Medienwoche machte kürzlich publik, wie die Zürcher Lokalinfo AG und das Internetportal Nau.ch zwei Journalistinnen mitten in der Ausbildung am MAZ entliessen. Der Fall zeigt, wie schwer es zurzeit ist, im Journalismus Fuss zu fassen. Selbst für Auszubildende bei der renommierten Journalistenschule.

«Ich bin einfach frustriert», sagt eine der Betroffenen. Zwei Auszubildende beim MAZ studierten wenige Tage, dann kam der Lockdown und später die Kündigung. Weil ihre Arbeitgeber sie entliessen, müssen die beiden Journalisten nun die MAZ-Ausbildung unterbrechen. Nach der Kündigung übernahm die Lokalinfo AG immerhin die Ausbildungskosten ihres Ex-Angestellten für das erste Semester am MAZ.

Nau.ch hingegen beteiligte sich nicht direkt an den Kosten der MAZ-Ausbildung ihrer Ex-Angestellten. Stattdessen hätten sie mit der Ex-Angestellten den Lohn so festgelegt, dass sie damit das MAZ aus eigener Tasche bezahlen konnte. Das war einmal. Der Lohn fällt nun für beide Betroffenen weg und sie sind auf Stellensuche.

Kombi oder Limousine

Wer in der Schweiz eine öffentliche Ausbildung zur Journalistin absolvieren will, hat die Wahl zwischen einem Kombi und einer Limousine: Der Bachelor in Journalismus und Kommunikation an der ZHAW in Winterthur kostet in der berufsbegleitenden Studiendauer von bis zu 6 Jahren 10'000 Franken, die zweijährige Diplomausbildung am MAZ in Luzern 18'500 bis 30'000 Franken (je nach Vertiefungsrichtung und Wohnkanton). Gewisse Redaktionen übernehmen den ganzen Betrag, andere nur einen Anteil. Manche Studierende zahlen die Ausbildung vollumfänglich selbst.

Ein Volontariat oder eine Festanstellung gilt als Voraussetzung für den MAZ-Diplomlehrgang in Journalismus. Dennoch absolvierten im März 2019 ein Fünftel der Studierenden das MAZ ohne feste Ausbildungsstelle. Wie viele in der Branche wechselten sie von Praktikum zu Praktikum, erledigten ihre Arbeit für Löhne um 1'500 Franken und trugen die Kosten für die teuerste Ausbildung im Schweizer Journalismus selbst.

Bernd Merkel, Studienleiter des MAZ, erklärt:

«Zum Start der Ausbildung im März gibt es jeweils einige Studierende ohne Volontariat. Diese Zahl ist in den vergangenen Jahren tendenziell gestiegen. Wer bis Ende Juni keine Anstellung oder eine feste freie Mitarbeit nachweisen kann, muss den Studiengang dann unterbrechen oder beenden. Bislang ist es aber stets gelungen, dass die allermeisten Studierenden Mitte des Jahres ein Volontariat haben.»

Ohne Festanstellung kein Ausbildungsabschluss – denn die praktische Arbeit sei essenzieller Bestandteil der berufsbegleitenden Ausbildung am MAZ. Die Auszubildenden sollen in den Redaktionen anwenden, was sie am MAZ lernen. Und wenn in der Praxis Fragen auftauchen, werden sie am MAZ besprochen. Die Verankerung in der Praxis ist auch der Versuch einer Erfolgsgarantie: Seit Jahren sind es laut MAZ gerade mal zehn Prozent, die nach dem Diplomlehrgang keine Stelle im Journalismus finden. Auch im letzten Jahrgang fanden 90 Prozent der MAZ-Alumni eine Festanstellung laut Studienleiter Bernd Merkel.

Wo sind Jobs?

Die beiden Ex-Angestellten von Lokalinfo AG und Nau.ch, haben jetzt vor allem eine Frage: Wo kriege ich eine neue Stelle her? Ihr festes Einkommen haben sie verloren und am MAZ stehen sie vor der Wahl: Diplomlehrgang sistieren oder ganz abbrechen. Beide haben ihn vorläufig unterbrochen. Laut Bernd Merkel unterstützt sie das MAZ nun in der Stellensuche: «Wir werden immer wieder von Redaktionen gefragt: Wisst ihr jemanden für diese oder jene Stelle…?». Manchmal kontaktiere das MAZ auch bestimmte Redaktionen, sagt Merkel. Von dieser Hilfe konnte bis anhin lediglich eine der Betroffenen profitieren, eine neue Stelle hat sie dennoch nicht. Die andere verwies die Journalistenschule vorerst auf die MAZ-Stellenbörse. Das MAZ will für seine Volontäre selbsterklärt Brücken in die Newsrooms schlagen. Nur, was wenn der Markt nicht mehr mitspielt?

Die Zürcher Lokalinfo AG ist im Besitz von SVP-Altnationalrat Walter Frey und leidet in der Corona-Krise mit seinen Gratiszeitungen laut Geschäftsführerin Liliane Müggenburg unter «sehr hohen Umsatzeinbussen». So sei die Entlassung des MAZ-Auszubildenden Teil eines «grösseren Sparpakets, das alle Abteilungen der Lokalinfo betrifft, auch die Redaktion». Als Geschäftsführerin versuche Müggenburg «soziale Härtefälle» zu vermeiden und hoffe nun, die «jüngere Person würde eher wieder eine Anstellung im Journalismus oder in einem anderen Bereich finden». Schliesslich hätte diese auch langjährige Berufserfahrung in der Administration.

Nau.ch teilte der Medienwoche mit, dass man die Entlassung bedauere «genauso, wie alle anderen Kündigungen auch». Gegenüber den JJS verweist Chefredaktor Micha Zbinden zudem auf das betriebseigene Ausbildungssystem, was bereits «vielen jungen Talenten nach dem Praktikum eine Festanstellung» ermöglicht hätte. Die Ex-Angestellte von Nau.ch berichtet von einem nach wie vor guten Draht in die Redaktion. So hätten sie die ehemaligen Chefs in der Stellensuche unterstützt, an andere Redaktionen vermittelt und auch regelmässig nach dem persönlichen Wohlbefinden gefragt.

«Ich will unbedingt im Journalismus arbeiten»

In der Medienumfrage 2020 des Gewerkschaftsbundes und der Medienverbände gaben drei Viertel der Befragten Auszubildenden an, Schwierigkeiten bei der Stellensuche zu haben. Ein Viertel davon erachtet es sogar als «sehr schwer», bei einem Jobverlust oder wieder eine gleichwertige Arbeitsstelle zu finden.

Beide betroffenen Entlassenen wollen sich davon nicht einschüchtern lassen. Eine gibt sich sogar kämpferisch: «Ich werde wieder einen Job finden und die MAZ-Ausbildung beenden.» Sie werde sich auch auf Praktika, Stages und als freie Mitarbeiterin bewerben. «Im Notfall nehme ich einen Kredit auf. Denn ich will unbedingt im Journalismus arbeiten.»

*Timo Posselt ist freier Journalist und arbeitet für die Republik, WOZ und Bajour. Timo ist JJS-Mitglied und hat diese Geschichte im Auftrag von JJS recherchiert und geschrieben.

Das meint JJS dazu:

Die Welt dreht sich schnell und Lernen wird immer wichtiger. Seit ein paar Jahren trendet das Keyword «Lebenslanges Lernen» in der Runde. Private Unternehmen – darunter auch Schweizer Medienverlage – werben mit optimalsten Voraussetzungen für «Lifelong learning».

Die Beispiele von Nau.ch und Lokalinfo zeigen das Gegenteil. Zwei junge Journalistinnen stehen ohne Abschluss und mitten in der Grundausbildung auf der Strasse! Wird jetzt die junge Journalist*innen Generation so ausgebremst?

Wir finden: Die Verantwortlichen auf den Redaktionen müssen auch künftig finanzielle und zeitliche Ressourcen freischaufeln. Wir alle brauchen eine solide Grundausbildung und nicht das Gegenteil: Junge auf die Abschussliste setzen!

Soviel soll für heute gelernt sein.